Leserbrief zu VEV-Mitteilungen 107/2009
Geschrieben von: Herbert Schüßler   

 

zu VEV-Mitteilungen 107/2009, Seite 26: „Einen alten Baum verpflanzt man nicht…“


Sehr geehrte Frau Fertsch,
sehr geehrter Herr Angermüller,
liebe Kollegen,

mit großem Interesse habe ich den kurzen Artikel über die so genannte Großbaumverpflanzung gelesen. Gestatten Sie mir, dass ich als „alter“ Veitshöchheimer und mit der Materie Großbaumverpflanzung einigermaßen Vertrauter etwas dazu sage.

 

Zuerst möchte ich mich aber identifizieren:
Ich komme aus dem Schülerjahrgang 1965/66, habe also mit dem VEV-Vorsitzenden Dietmar Ohnhäuser und dem VEV-Kassier Hans Bätz die Schulbank, noch im alten Schulgebäude am Veitshöchheimer Kirchplatz gedrückt. In der Mitgliederliste werde ich unter der Rubrik „ZB“ für Zierpflanzenbau geführt. Jedoch habe ich wenige Jahre nach der Meisterprüfung die Fakultät gewechselt. Von 1969 bis zu meinem Ruhestand im September 2008 war ich im Landschaftsbau, und hier im speziellen Bereich der Bayerischen Straßenbauverwaltung, sprich, an bayerischen Straßenbauämtern in der Landschaftspflege tätig. Mein Aufgabengebiet umfasste alles was die Planung, Ausschreibung, Baudurchführung, Abwicklung und Gewährleistung von Landschaftsbaumassnahmen an Bundes- und Staatsstraßen, in ei-nem Falle auch Kreisstraßen betraf. Der Umstieg war damals äußerst spannend und sehr aufwändig, weil natürlich vieles Neues – und das ist die gesamten fast 40 Jahre lang so geblieben – ständig dazu gelernt werden musste. Es hat mir aber riesigen Spaß gemacht und mein berufliches Leben sehr ausgefüllt. (Und wenn jemand Bedenken wegen des Fakultäts-wechsels hat: Böse Zungen behaupten ja immer wieder, „Zierpflanzerer“ seien die besseren Landschafter, weil sie gelernt haben, mit der Pflanze als zentrales Element des Gärtners umzugehen…)


Insbesondere ein Satz im o. g. Artikel hat mich zu diesen Äußerungen hier veranlasst. Nämlich: „Großbaumverpflanzungen sind sehr selten.“
Mir stellt sich die Frage: Ist das tatsächlich so? Ist das gut so? Kann und soll man daran etwas ändern? Wenn ja, warum und wie?

1976 kam ich mit der Großbaumverpflanzung erstmals in Kontakt. Genaue Zahlen kann ich nicht mehr benennen, aber in den nachfolgenden 32 Jahren am früheren Straßenbauamt Deggendorf werden es wohl so um die 400 umzupflanzende Bäume gewesen sein, bei denen ich Planer, Auftragsvergabe-Vertreter und Bauleiter sein durfte. Also, doch nicht so sehr selten?

Dazu erst einmal ein kurzer Rückblick auf meine gemachten Erfahrungen. Um ehrlich zu sein, die erste Maßnahme 1976 war nicht sehr erfolgreich. Von den damals 25 verpflanzten Bäumen überlebten nur etwa die Hälfte. Die Verpflanzmethode mit den Spatenmaschinen, ist so wie heute, nach wie vor die gleiche. Die Geräte haben sich, abgesehen von technischen Verbesserungen, kaum verändert. Damals jedoch brachte man eine beträchtliche Menge organisches Material in die neue Pflanzgrube ein, das der umgepflanzte Baum wegen der anaeroben Verhältnisse (Faulgase) im Wurzelbereich gar nicht gut vertrug. Man kam jedoch sehr schnell darauf, diese Materialien wegzulassen und dafür andere Arten der Nährstoffzuführung und Einbringung von Mitteln zur Förderung der Wurzelbildung zu finden. Heute wird um jeden Baum unmittelbar nach der Umpflanzung eine so genannte Rehabilitationszone angelegt.
Ein weiteres entscheidendes Kriterium zum sicheren Anwachsen der umgepflanzten Bäume war die anschließende unumgängliche Pflege. Die Verpflanzungsfirma hatte sich in früheren Jahren im Regelfall darauf verlassen, dass der Auftraggeber der Verpflanzaktion auch diese nachfolgenden Arbeiten an (angestrebt) ortsnahe Landschaftsbaufirmen in Auftrag geben würde. Damit war man aber häufig verlassen. Aus Kostengründen hat der AG oft darauf verzichtet und damit den Anwachserfolg sehr risikobehaftet in Frage gestellt. In der Zwischenzeit sind Großbaumverpflanzungen und Nachsorge in einer Hand. Das ist nach meiner Kenntnis bei der im Artikel genannten Firma Opitz fast immer so. Damit ist sicher gestellt, und das habe ich in langen Jahren meiner diesbezüglichen Tätigkeit erfahren dürfen, dass Ausfälle nur mehr selten vorkommen. Wenn ich zum Beispiel durch Deggendorf gehe oder fahre, treffe ich ständig auf Bäume, die vor 15, 20 Jahren im Zuge von Straßenbaumaßnahmen umgepflanzt wurden, eine klasse Wuchsleistung am neuen Standort brachten und so dastehen, als wären sie schon immer da gestanden. Und das sind nicht wenige. Es dürften so um die 150 sein.

Zurück zu den eingangs gestellten Fragen. Großbaumverpflanzungen sind mitnichten sehr selten, zumindest wenn ich mein eigenes Tätigkeitsfeld der letzten dreißig Jahre betrachte. Allerdings muss ich auch zugeben, es ist nicht flächendeckend so. In meinem Kollegenkreis in der Bayerischen Straßenbauverwaltung erfuhr die Großbaumverpflanzung keine uneingeschränkte Zustimmung. In Gesprächen habe ich oft das Gefühl gehabt, man ist skeptisch nach dem alten Sprichwort: „Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht.“ Dabei sind mir des Öfteren auch Landschaftsarchitekten über den Weg gelaufen, die mit der Großbaumverpflanzung ebenfalls nicht viel anfangen konnten, so wie der genannte Bauer. Ich bin mir deshalb auch bewusst – und das ist auch das Ziel dieser Ausführungen - man muss gerade an Ausbildungseinrichtungen, wie es nun einmal Hochschulen, Fachhochschulen, Techniker- und Meisterschulen sind, ansetzen, um diese spezielle Methode von Baumerhaltung und Gehölzwiederverwendung verstärkt bekannt machen und ins Bewusstsein der Fachleute rücken.
Im Hinblick auf die immer mehr, und zwar berechtigt geforderten Minimierungsverpflichtungen bei Baumaßnahmen stellt sich eine neue Frage: Können wir es uns leisten 20, 30 oder 40 Jahre Wuchsleistung eines Baumes so ohne weiteres mit der Motorsäge zu eliminieren? Ich meine, wir können es nicht. Was also tun? Antwort: Wenn die auf der Baustelle „im Wege stehenden“ Bäume die Qualität zur Verpflanzung aufweisen, dann gibt es nur eines: Verpflanzen! (Dazu eine Anmerkung: Nicht jeder Baum lohnt sich tatsächlich zur Verpflanzung. So genannte „Krücken“ sollte man dann besser doch umschneiden.)
Ein weiteres Argument: Wenn auch im ersten Augenblick der finanzielle Aufwand zum Zeitpunkt der Verpflanzmaßnahme im Vergleich zur Baumschulware hoch erscheint, so relativiert sich dieser bei genauem Hinsehen beträchtlich. Gerade an Straßen sind Bäume häufig „Versicherungsfälle“, wenn z. B. ein Kfz vom rechten Weg abkommt und einen Schaden am Baum anrichtet oder beim Grunderwerb im Zuge von Baumaßnahmen. Die Bewertung solcher Gehölze ist mittlerweile ein wichtiger Bestandteil gutachterlicher Tätigkeit einschlägiger Fachleute, gerichtlich umfassend abgesichert und war außerdem ein ständiger Teil meines Aufgabengebietes. Insofern war mit großer Sicherheit der Wert eines einzeln oder in der Gruppe stehenden Baumes exakt zu berechnen. Im Regelfall überstieg dabei der Wert eines Baumes die Kosten, die für Verpflanzung und Nachsorge aufzuwenden waren. (Berechnungsbeispiele könnten nachgeliefert werden.)

Was hindert uns also daran, immer und überall, wo wir mit verpflanzungsfähigen Bäumen in Berührung kommen, diese mit ihren wichtigen Ressourcen für die Umwelt, das Stadtklima und weiterer Elemente durch eine relativ problemlose, aber intelligente Maßnahme einer Großbaumverpflanzung zu erhalten. Man muss nur wissen, dass es so was gibt und wie’s geht. Und in Veitshöchheim hat man alle Chancen, das den angehenden Meistern und Technikern zu vermitteln. Ich helfe auch gerne dazu.
Und, wenn Sie sich mit mir darüber unterhalten wollen. Anruf genügt.

Herbert Schüßler
Am Tegelberg 4
94469  Deggendorf       29.07.2009
Tel.: 0991/31613
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